Die zweite Woche mit Faramir

Die zweite Woche mit Faramir: die wunderbare Entspanntheit eines platzenden Knotens

Nach einer anstrengenden Woche mit viel Unsicherheit, einem Hund, der nicht allein rausgeht, der in der Wohnung zwar immer mehr Vertrauen fasst und sich entspannt, aber sich beim ersten Anzeichen von Rausgehvorbereitungen (Leine, Geschirr, Futterbeutel) im letzten Winkel versteckt, nach einer Woche von Scheiße aufwischen und Gestank, von zernagten Gegenständen und hektischer Unruhe, sind sowohl Faramir als auch ich erschöpft. Das klingt schlimmer als es war, denn gleichzeitig ist da so ein unglaublich freundliches Geschöpf eingezogen, er weiß halt nicht, wie das alles geht und ich bin trotz meiner Entspanntheit und Geduld offensichtlich nicht in der Lage, es ihm zu zeigen. Trotz der vielen Bücher, die ich gelesen und der Gespräche, die ich geführt habe, mache ich offensichtlich alles falsch. Das Schlimmste an den Büchern ist, dass mir so sehr bewusst ist, was alles schief läuft. Ich bestärke seine Angst, ich lasse mich von ihm an der Leine hinterherziehen, all das nur, weil ich es nicht besser hinkriege, weil ich froh bin, dass er überhaupt irgendwo hingeht und nicht nur zitternd in Hecken liegt.

Ich hole mir Hilfe bei verschiedenen Tiertherapeuten und –trainern. Im Prinzip bestätigen sie alles, was ich bereits gelesen habe. Ich soll noch geduldiger sein und die klitzekleinsten Fortschritte loben, loben, loben. ‚Mache ich doch schon‘, maule ich vor mich hin. Ein zusätzlicher Tipp, den ich bekommen habe ist, einfach eine Weile draußen sitzen zu bleiben, damit Faramir entspannt genug ist, seine Geschäfte zu machen.

Also hocken wir Freitag Abend draußen auf der Wiese, ich lerne dutzende Nachbarn und deren Hunde kennen, sie reden mir gut zu oder wissen alles besser, Faramir liegt semi-entspannt neben mir im Gras und beobachtet das Treiben um uns herum. Irgendwann zieht ein Gewitter auf, wir sitzen noch eine Weile im Regen und dann hab ich genug. Ich stehe auf, gehe ans Ende der Leine, drehe mich nicht um, rede nicht mit Faramir, versuche ihn nicht zu ermuntern, sondern stehe einfach da, spüre den Regen auf meinem Kopf und warte. Und warte. Und warte. Kurz bevor ich Spinnenwebe ansetze, geschieht das Wunder, Faramir kommt in meine Richtung gelaufen, obwohl das schon die Etappe des Heimweges ist, die ich ihn bisher immer tragen musste. Es geht da zwischen den Häusern durch einen schmalen Durchgang in Richtung Straße. Ich gehe wieder ans Ende der Leine und warte. Und er kommt. So tasten wir uns Stück für Stück vor, er geht Treppen runter und rauf zur Haustür. Ich immer eine Leinenlänge vorweg, ignoriere ihn, drehe mich nicht um. Schwierig wird es nochmal am Fahrstuhl, denn da kann ich nicht weit genug reingehen, ohne dass die Tür zugeht. Die Leine allein reicht dem Bewegungssensor offensichtlich nicht. Aber auch das klappt irgendwann und schließlich sind wir oben angekommen und ich lobe ihn wie blöde. Ein begeisterter und stolzer Hund rast auf den Balkon und macht glücklich eine Riesenwurst, ich wische die wortlos auf und freue mich (heimlich). Nicht Faramir hat riesige Fortschritte gemacht, sondern ich habe endlich herausgefunden, wie ich Signale setze, die der Hund versteht.

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Am nächsten Tag beginnt wieder alles mit der Angst vor der Treppe, aber ich trage Faramir nur die ersten drei Stufen runter, den Rest schafft er allein. Draußen läuft er jetzt ganz selbstverständlich in meine Richtung, wenn ich nur entspannt vorweg gehe. Kein Geziehe an der Leine mehr, kein Zusammenwachsen mit Gebüsch und Hecke.

Seitdem läuft der Laden, wir gehen entspannt raus und wieder rein, der Fahrstuhl ist beim Hochfahren immer noch ein bisschen schwierig, aber auch das wird immer besser. Nur das mit dem Kacken draußen will immer noch nicht klappen. Die Tierpsychologin sagt, ich soll mich an relativ kurzer Leine draußen hinstellen, ihn nicht beachten und warten. Dann würde ihm langweilig und er könnte in Ruhe sein Geschäft machen. Ich stehe also heute morgen mit Faramir an einem Baum, gucke Löcher in die Luft, ziehe mir den Argwohn der vorbeikommenden Nachbarn zu und warte. Faramir legt sich hin, aber er langweilt sich nicht. Nach etwa zwanzig Minuten bin ich selbst so entspannt, dass ich dringend nachhause muss. Wir gehen beide aufs Klo, ich im Badezimmer, er auf dem Balkon.

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